Abenteuer FCI Weltausstellung Helsinki
Eines Abends im Januar, vielleicht auch Februar, sagte ich zu meiner Frau Andrea: „Ich fahre zur Weltausstellung nach Helsinki!“ Ich vermute allerdings, dass sie mir damals gar nicht richtig zugehört hat. Einige Monate später, irgendwann im April, fragte ich bei ihr nach, ob meine Anmeldung bereits raus wäre. „Ja, willst du etwa wirklich fahren?“ fragte sie erstaunt. „Na ja, melde mich doch einfach mal an, Zuhause bleiben kann ich ja immer noch, sollte beruflich etwas dazwischen kommen.“ So ganz ernst hat sie mich zu diesem Zeitpunkt aber immer noch nicht genommen.
Es war wohl mal wieder kurz vor Meldeschluss, als meine Frau registrierte, dass es mir offenbar tatsächlich ernst war. Sie nahm die Meldung vor und das reichte mir fürs erste. Ich war beruhigt. Der August rückte näher und ich ging in Gedanken meine Baustellen durch. Konnte ich mir erlauben, eine längere Auszeit zu nehmen? Ja, es schien irgendwie zu passen! Eine Wohnsiedlung in Saarbrücken befand sich schon im Endstadium, den Rest würde mein Sohn Maik dann noch ohne mich zu Ende bringen können. Es war inzwischen Mitte Juli und so schaute ich mir die Route zu meinem Ziel mal genauer an. Das Flugzeug zu nehmen kam für mich mit den zwei Hunden, die wir gemeldet hatten, nicht infrage. Also blieb nur der „Landweg“. Dass ich auf jeden Fall eine Fähre würde nehmen müssen, war mir zwar klar, dass die Überfahrt von Stockholm nach Helsinki allerdings 17 Stunden dauern würde, das stellte ich erst jetzt fest. Was machen Hunde so lange an Bord, besonders Filas? Keine Ahnung! Zumal die Bestimmungen an Bord von Reederei zu Reederei sehr unterschiedlich sind, wie sich später noch herausstellen sollte.
Aber 17 Stunden schienen mir irgendwie zu lang. Es gab noch eine alternative Route, nämlich von Stockholm nach Turku, der ältesten Stadt Finnlands. Die Überfahrt mit einem Zwischenstopp auf der Insel Marienhamm sollte „nur“ zwölf Stunden dauern. Das schien mir für meine Hunde noch erträglich zu sein. Also: Auf zum ADAC nach Saarbrücken, die Route mit den Hotels und Camping- Plätzen ausdrucken lassen und am besten gleich die Fähre buchen...
Ich muss erwähnen, dass wir da bereits den 28. Juli schrieben! Mit dem Routenplan klappte es, mit der Fähre allerdings nicht. Laut ADAC waren alle Fähren ausgebucht. Ich solle doch mal in einem Reisebüro mein Glück versuchen, hieß es. Eventuell hätte man dort eine größere Anzahl von Reedereien im Angebot. Ich befolgte den Rat, trug im Reisebüro erneut meine zeitliche Reiseplanung vor und stand vor demselben Dilemma wie kurz zuvor: Wieder nichts, alles ausgebucht - zumindest für einen 7m langen und 2,95 m langen Sprinter! Doch so leicht wollte ich die Flinte nicht ins Korn werfen, also ab ins nächste Reisebüro. Aber auch dort konnte man mir nicht weiterhelfen. Unglücklicherweise seien in dieser Zeit auch noch in Schweden und Finnland Ferien, so sagte man mir.
Irgendwie war ich schon arg enttäuscht. Obwohl ich erst recht spät endgültig entschieden hatte, hinzufahren, so hatte ich mich doch bereits sehr darauf gefreut. Aufgeben kam also nicht wirklich infrage, deshalb wieder zurück zum ersten Reisebüro. Der Chefin, mit der ich gesprochen hatte, traute ich trotz aller Schwierigkeiten die nötige Energie zu, eine Fähre für mich zu finden. Und tatsächlich – bei einer um einen Tag früheren Anreise und bei einem zwei Tage längeren Aufenthalt in Finnland ließ sich sogar etwas mit Kabine auftreiben.
Wie es sich allerdings mit großen Hunden an Bord verhält, konnte sie mir auch nicht sagen. Das beunruhigte mich schon etwas. Wir hatten mittlerweile schon den 01.08 und ich musste bereits am Montag, 04.08., los. Da galt es, auf die Schnelle die wichtigen Vorbereitungen zu treffen. Bloß nichts vergessen! Man fährt ja nicht gerade zur Ausstellung nach Dortmund oder Kassel... Ein paar wichtige Reisetipps gab mir einer meiner Geschäftspartner mit auf den Weg, dessen Frau aus Finnland stammt. Er hatte mit allem zu 100% recht, wie sich später herausstellen sollte.
Nachdem alles verstaut war – von der Taschenlampe über das Hundefutter, den Stromerzeuger, den Reservekanister, das Wasser (40 Liter) und einige Notfall-Medikamente für die Hundis – konnte es losgehen.
Montagabend brach ich mit Corleone und Catalina auf in Richtung Flensburg zur Dänischen Grenze. Ich zog es vor, nonstop über die Brücken nach Schweden zu fahren. Das schient mir allemal besser, als schon in Puttgarden auf eine Fähre zu müssen. Zuerst geht es über die Oresundbrücke. Das vor ca. zehn Jahren fertiggestellte und eine Milliarde teure Bauwerk ist 7845m lang. mit meinen 50 Euro bei der Überfahrt durfte ich bei der Finanzierung dieses Projektes behilflich sein. Das war allerdings vergleichsweise günstig, denn wenig später kommt die Stoerebaeltbrücke, oder auch große Belt-Brücke genannt. Sie ist die längste Hängebrücke Europas und die Drittlängste der Welt. Entsprechend ihrem Renommee zahlt ein 7m langer Transporter dann auch 100 Euro. Für mich war es beeindruckend, zu sehen, wozu Menschen heute fähig sind. In diesem Moment hätte ich gerne Leonardo da Vinci als Beifahrer dabei gehabt. Nach zweimaliger Rast in schwedischer Landschaft ging es in die Stadt Stockholm. Eine Stadt, die mich sofort erobert hat. Vor allem der alte Hafen mitten in der Stadt, von dem am nächsten Morgen meine Fähre abfahren sollte, war beeindruckend.
Die Schweden wollen im Sommer anscheinend nicht schlafen gehen. Sie genießen ihn lieber ausgiebig. Das Wetter war herrlich, die Restaurants und Bars im Freien waren belebt und voll von jungen, leicht bekleideten Leuten. Ich wollte auch nicht in mein Bett. Am nächsten Morgen um 6 Uhr ging es an den Hafen zum Check-In. Aus dem Morgennebel tauchte meine Fähre auf, die Viking- Grace. Das Schiff hat 14 Decks und ist ca. 230 m lang. Es war einfach beeindruckend, zu beobachten, wie dieser Koloss mitten im Stadthafen auf der Stelle gewendet hat. An Bord angekommen, ging ich sofort zum Infopoint, um abzuklären, wie es sich mit Hunden an Bord verhält. Es war zum Glück aber alles kein Problem. Ich konnte sie mit in meine Kabine nehmen und auch an Bord mit ihnen spazieren. Es gab sogar Löseplätze für Hunde, wie ich sehen konnte, aber nicht für Filas. Die Hunde fühlten sich in der „Kabine Fila“ wohl, also konnte ich mich in aller Ruhe aufs Oberdeck begeben. Es war einfach herrlich! Die Fahrt führte an unzähligen Inseln und Bootshäusern vorbei, die prächtig anzuschauen waren. Die Hunde nahm ich ebenfalls mit auf Deck und auch sie schienen beeindruckt zu sein. Vor allem Corli, der ständig riesen Durst hat, schaute aufs Wasser, als wollte er sagen „Nee, soviel schaffe ich aber nun wirklich nicht!“ Moderne Fähren auf so langen Überfahrten kommen Kreuzfahrt-Schiffen sehr nahe. Sie haben an Bord viel zu bieten, vom Casino über Nachtbars, einem Kinderdeck, einem Einkaufszentrum und noch so Einiges mehr. Der Gast soll doch möglichst viel von seinem besten – sprich seinem Geld – an Bord lassen. In Turku angekommen ging es nach einer kleinen Gassi-Pause direkt Richtung Helsinki. Ich kam um ca. 22:00 Uhr in der Stadt an und wurde mit einem riesigen Welcome-Schild empfangen.
Vor Beginn der Messe blieb noch über ein Tag Zeit, mir das Gelände und natürlich die Stadt anzuschauen. Zuerst ging es aber ins Ausstellungsbüro, denn man will es gar nicht glauben: Ich bin ohne eine schriftliche Meldebestätigung losgefahren, hatte nur eine mündliche Bestätigung! Aber ein Wort sollte auch in unserer Zeit noch etwas gelten! Und so war es auch. Wir waren im Katalog aufgenommen und bekamen auch gleich unsere Startnummern für den kommenden Tag. Ich konnte Helsinki jetzt, nachdem alles geregelt war, natürlich etwas entspannter genießen.
Am nächsten Morgen war ich schon recht früh auf dem Messegelände. Ich wollte mir gute Plätze mit meinen Boxen am Ring sichern, was mir auch gelang. Auch konnte ich sehr nahe an unserem Ausstellungszelt parken, was nur von Vorteil war .Wir waren um ca. 13:00 Uhr an der Reihe, sodass ich noch genügend Zeit hatte, mich umzuschauen, um von der Atmosphäre der Weltausstellung etwas mitzunehmen. Auf den ersten Blick ist eine Weltausstellung eine Ausstellung wie jede andere auch. Aber das ist nicht wirklich so. Einem routinierten Aussteller oder Besucher fallen da durchaus etliche Besonderheiten auf. Gut gekleidete Händler gibt es überall, aber auf einer Weltausstellung sind sie besonders schick. Bei den Dogos machte ein Italiener mit versabberter Jogginghose und T-Shirt BOB. Das war natürlich nur der typisch italienische Charme – oder war sein Dogo wirklich Weltklasse? Aussteller und Besitzer, die heulen ,tanzen oder den ein oder anderen Richter küssen – das sieht man halt bei uns in Hannover oder Leipzig nicht so oft. Für mich war das alles sehr kurzweilig anzuschauen.
Um 13.00 Uhr brachte ich Catalina und Corleone zu ihren Boxen an den Ring. Vom klimatisierten Sprinter (es waren Temperaturen um die 29°C) waren es etwa 150 Meter. Es war alles recht locker und für mich war die ganze Reise zu diesem Zeitpunkt sowieso schon ein Erfolg und ein Erlebnis gewesen. Catalina ist eine ausgeglichene Hündin und genauso betrat sie auch das Ausstellungszelt. Sie marschierte mit einer Ruhe und Eleganz rein als wolle sie sagen: „Papa, super Cocktailparty hier!“
Kurz danach kam Corli, der ins Zelt marschierte, als wolle er der Schlacht von Cannae die Wende bringen. Er legte sich gleich am Eingang mit einem Kaukasen an. Spätestens da wussten Besucher und Aussteller Bescheid, dass gleich die Filas an der Reihe sind. Kurz vor 14.00 Uhr war es soweit und wir gaben alles. Auch Corleone, der sonst im Ring gerne rumzickt, wusste sich zu benehmen. Er bekam ein V2 und hatte nur den Weltsieger und BOB Hund vor sich. Catalina gewann ihre offene Klasse mit einem V1.
Ich war hochzufrieden und glücklich! Nach ein paar Bildern mit dem Richter konnte ich es kaum erwarten, das Messegelände zu verlassen, denn ich hatte ja noch „zwei freie Tage“ um Finnland zu erkunden. Ich machte mich gleich wieder auf den Weg Richtung Turku, aber diesmal nur über Landstraßen. Es war beeindruckend, kilometerweit zu fahren und dabei keinem Auto zu begegnen. Finnland ist fast so groß wie Deutschland, hat aber nur fünf Millionen Einwohner. Endsprechend ist das Verkehrsaufkommen. In der Nähe von Turku hatte ich ein Zimmer in einem schönen Seehotel gebucht. Von dort aus unternahmen wir mehrere Ausflüge, um Land und Leute näher kennenzulernen. Ich stellte fest, dass vieles von dem, was mir mein Geschäftspartner über die Finnen erzählt hatte, wirklich zutraf. So herrschte abends in den Restaurants eine ungewöhnliche Stille. Die Finnen reden kaum miteinander beim essen. Ich fragte mich nur, wie sie das wohl in einem italienischen Restaurant im Urlaub aushalten. Sie sind im Allgemeinen auch sehr gebildet (ob Tankwart, Kellner oder Elchjäger - alle können Englisch). Hilfsbereit sind sie auch. Wenn ich irgendwo ein kleines Problem hatte, z.B. beim Tanken, Parken usw. wurde sofort geholfen. Und sie trinken gerne einen. Wenn mir einer eine kleine Gefälligkeit erwies, bedankte ich mich meistens mit ein paar Dosen saarländischem Bier oder italienischem Wein, wovon ich auf Anraten zur Genüge dabei hatte. Jeder Finne nahm dankend mit einem Strahlen im Gesicht an. Auch die finnische Dachdeckerkunst schaute ich mir näher an, die sich von der Deutschen doch arg unterscheidet. Montag, den 11.08, ging es in aller Frühe Richtung Hafen. Der Hafen in Turku ist riesengroß und hat mächtig Platz zum Anfahren. Kein Vergleich zum Stockholmer Hafen, der zwar wunderschön ist, aber eigentlich nur für die Bedürfnisse des Mittelalters mit seinen kleinen Seglern und Dreimastern gedacht war.
Für mich war die Überfahrt zurück nach Schweden ohne jeden Stress, ich kannte ja jetzt die Abläufe an Bord mit meinen Hunden. Die Einfahrt in den Stockholmer Hafen war einfach herrlich, nicht nur ich empfand das so. Das Oberdeck war voller Menschen. Um ca. 19.00 Uhr hatten wir wieder festen Boden unter den Füßen und Pfoten. Wir fuhren dann noch ca. 300 km Richtung Heimat, um kurz vor Husquarna zu übernachten. Am nächsten Morgen schaute ich in der Stadt Husquarna noch schnell in ihr Kettensägenmuseum rein (wir haben in unserem Betrieb ein paar Husquarnas) und im Anschluss daran ging es dann Richtung Dänemark. Nachdem ich beim Überqueren der zwei Brücken wieder brav meinen Wegezoll gezahlt hatte, fühlte ich mich so, als würde mir ein 1/2 Brückenpfeiler gehören. Sobald wir wieder deutschen Boden betraten und somit auch deutsche Autobahnen befuhren, war es vorbei mit meiner idyllischen Fahrt. Ich merkte wieder, wo ich war: Von hinten Aufblenden, rechts überholen, dazwischen Polizei und Krankenwagensirenen – Willkommen zuhause! Gegen 01:00 Uhr in der Frühe waren wir wieder in Eiweiler (nachdem wir über 1500 Km am Stück durchgefahren sind). Die Reise nach Finnland war für mich ein Erlebnis der besonderen Art, auch weil ich mit Corli und Catalina unterwegs so viel Spaß hatte. Danke an die beiden, die mir dieses Erlebnis erst ermöglicht haben!
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